
„Meine Vision ist es, den Gebäudebestand klimafreundlicher zu machen“
Interview mit Professor Dr.-Ing. Constanze Bongs, Deutschlands erster Stiftungsprofessorin für Wärmepumpen an der Hochschule Karlsruhe – finanziert unter anderem durch die Bosch Home Comfort Group.

Sie sind die Deutschlands erste Professorin für Wärmepumpen. Können Sie uns ein paar Sätze zu Ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn sagen?
Prof. Dr.-Ing. Constanze Bongs: Ich habe an der Technischen Universität Berlin Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Im Hauptstudium waren meine Themenbereiche schwerpunktmäßig Energie- und Rohstoffwirtschaft sowie Energietechnik, unter anderem auch die Absorptionskältetechnik. Meine Diplomarbeit habe ich am CSIRO, der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization in Australien geschrieben. Damals schon beschäftigte ich mich mit der Modellierung und Simulation eines thermisch angetriebenen Verfahrens zur Gebäudeklimatisierung. Weitere Auslandserfahrung konnte ich während eines zweisemestrigen Studienaufenthalts an der Wirtschaftshochschule LUISS Guido Carli in Rom und eines Praktikums in Vancouver sammeln.
Sie haben am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg promoviert, kamen Sie damals schon mit der Gebäudetechnik in Kontakt?
Prof. Bongs: In meiner Promotion im Themenfeld der Gebäudetechnik entwickelte und charakterisierte ich am ISE neuartige sorptiv beschichtete Wärmeübertrager, die mithilfe regenerativer Energie wie Solarwärme Luft entfeuchten können. Als Projektleiterin und als Gruppenleiterin für die Gebäudesystemtechnik war ich in zahlreichen nationalen und internationalen Projekten energieeffizienter und erneuerbarer Gebäudetechnik involviert. Während dieser Zeit habe ich auch meinen Forschungsschwerpunkt zum Einsatz von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden, insbesondere im Mehrfamilienhausbereich, aufgebaut.
Lag es also auf der Hand, dass Sie sich an der Hochschule Karlsruhe als erste Professorin für Wärmepumpen in Deutschland beworben haben?
Prof. Bongs: In gewisser Weise ja, denn diese neue Professur deckt sich in weiten Teilen mit meinen Interessensschwerpunkten. Nach meiner Zeit am Fraunhofer ISE wollte ich gerne in die Lehre, diese Möglichkeit eröffnete sich mir zunächst im vergangenen Jahr als Professorin für Heiztechnik an der Berliner Hochschule für Technik (BHT) im Studiengang Gebäude- und Energietechnik. Als in diesem Frühjahr die neue Stiftungsprofessur an der HKA eingerichtet wurde, erkannte ich für mich die große Chance, Forschung und Lehre mit deutlichem Fokus auf der Wärmepumpentechnologie zu verbinden.

Sie haben das Stichwort genannt, Stiftungsprofessur. Was muss man sich darunter vorstellen?
Prof. Bongs: Die Stiftungsprofessur wird von Unternehmen finanziell unterstützt. Mit der Bosch Home Comfort Group haben wir einen starken Partner an unserer Seite. Diese Kombination ist aus mehreren Gründen interessant. Die Anbindung an die Industrie ermöglicht einen sehr engen Praxisbezug. Durch den intensiven Austausch können wir im Bereich der Forschung gezielt auf Anforderungen eingehen, mit denen Hersteller konfrontiert sind. Wir erfahren durch das direkte Gespräch, welche Themen die Industrie beschäftigen und können gegenseitig Impulse setzen. Diese Wechselbeziehung ist für beide Seiten von Vorteil und macht eine Stiftungsprofessur so attraktiv.
Werfen wir mal einen Blick in die Zukunft. Welche Vision verbinden Sie mit der Stiftungsprofessur?
Prof. Bongs: Zur Erreichung von Klimaschutzzielen im Gebäudesektor ist insbesondere in der Wärmeversorgung ein Paradigmenwechsel notwendig. Der Großteil in Deutschland sind Bestandsgebäude, häufig mit veralteter Heiztechnik. Meine Vision ist es, den Gebäudebestand zu dekarbonisieren und insgesamt klimafreundlicher zu machen. Die Wärmepumpe ist eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen. Vorgaben der Politik werden dazu führen, dass Wärmepumpen verstärkt auch in Bestandsgebäuden zum Einsatz kommen. Um die damit verbundenen Herausforderungen besser zu verstehen und Lösungen zu entwickeln, benötigen wir entsprechend ausgebildete Ingenieurinnen und Ingenieure. Auf diesen Bedarf zielt die Stiftungsprofessur an der Hochschule Karlsruhe ab. Gerade in größeren Bestandsgebäuden sind Wärmepumpen noch stark unterrepräsentiert und es besteht weiter Forschungs- und Entwicklungsbedarf für Lösungsansätze, etwa für den Austausch dezentraler Versorgungslösungen wie Gasetagenheizungen. Ferner herrscht Unsicherheit in der Planungspraxis bei der Umsetzung komplexerer Systemlösungen und dem Einsatz von Wärmepumpen im urbanen Raum. Hier möchte ich ansetzen und die erneuerbare Wärmeversorgung in enger Verzahnung mit dem Gebäude denken.
Frage: Welche Ziele wollen Sie mit Ihrer Professur in, sagen wir mal, fünf Jahren erreichen?
Prof. Bongs: In Bezug auf die Lehre erhoffe ich mir, dass wir mit einem attraktiven und interessanten Angebot viele junge Menschen für dieses wichtige Zukunftsthema begeistern können. Aus Sicht der Forschung wollen wir mit unseren Lösungen einen Beitrag dazu leisten, dass der CO2-Ausstoß im Gebäudesektor deutlich sinkt. Die Wärmepumpe – insbesondere im breiten Einsatz dieser Technologie – spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Die Wärmepumpe hat in den vergangenen Jahren eine rasante Entwicklung am Markt erlebt, ist dann aber stark eingebrochen. Ist das nur eine vorübergehende Delle?
Prof. Bongs: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Wärmepumpe als Technologie Bestand haben und weiter wachsen wird. Die Entwicklung in den vergangenen Jahren muss man etwas relativieren. Hier haben verschiedene äußere Faktoren eine Rolle gespielt, auch auf politischer Ebene. Der grundsätzliche Wachstumstrend im Bereich Wärmepumpen wird in meinen Augen aber anhalten. Wichtig ist die Akzeptanz bei den Menschen und die Einsicht, dass fossile Energieträger ersetzt werden müssen, um dem Klimawandel erfolgreich entgegenzuwirken.
Wo steht die Wärmepumpe im Jahr 2030, wie wird sich diese Technologie entwickeln?
Prof. Bongs: Die Wärmepumpe ist eine tragende Säule unserer künftigen Wärmeversorgung, die grundlegende Technologie in der dezentralen Versorgung von Gebäuden. Darüber hinaus sehe ich auch großes Potenzial, um Wärmenetze zu dekarbonisieren. Der Einsatz von Wärmepumpen in der Industrie sowie in Fernwärmenetzen wird bis zum Ende dieses Jahrzehnts ebenfalls ein wesentliches Thema sein.
Lassen Sie uns noch über ein anderes Thema sprechen, den Fachkräftemangel in der Branche. Inwiefern kann Ihre Professur hier einen Beitrag zur Verbesserung der Situation leisten.
Prof. Bongs: Nach dem Studium haben unsere Absolventen eine gute thermodynamische Ausbildung und – sofern sie den Schwerpunkt Kälte, Klima und Umwelttechnik wählen – auch ein umfassendes Verständnis und Wissen über Kältetechnik und kältetechnische Prozesse. Als Hochschule kann man immer nur den Grundstein legen, alles Weitere ergibt sich dann in der Praxis, also im beruflichen Alltag. Unsere Aufgabe sehe ich darin, ein technisches Grundverständnis zu schaffen und Begeisterung für diese Themen zu wecken. Die jungen Menschen sind dann interessant als Mitarbeiter für die Industrie oder in Planungsbüros, etwa im Bereich der Gebäudetechnik. Um unsere eigene Begeisterung für Wärme- und Kältetechnik zu transportieren ist eine gesunde Mischung aus Forschung und Lehre für uns an der Hochschule Karlsruhe auch wichtig.
Inwieweit können Heizungsfachbetriebe davon profitieren?
Prof. Bongs: Ich finde es großartig, wenn unsere Studierenden bereits eine fachrelevante Ausbildung mitbringen und dann noch einmal ein Studium darauf setzen. Das ist sicherlich der Idealfall und diese Studierenden kommen auch häufig aus Familien mit einer entsprechenden Tradition, wo eine Weiterführung eines Familienbetriebs ein Thema ist. Unsere weiteren Absolventen sehe ich eher dort, wo Planung oder Entwicklung durchgeführt wird. Größere Heizungsfachfirmen, die auch umfangreiche Projekte beispielsweise im industriellen oder öffentlichen Bereich ausführen, haben meist eine eigene Planungsabteilung. Das kann dann ein guter Anknüpfungspunkt sein.
Frau Prof. Dr. Bongs, wir danken Ihnen für das Gespräch